Die nachträgliche Registrierungspflicht aller Schusswaffen aus kriminalpräventiver Sicht
Sollen Schusswaffen, die man vor dem 13. Dezember 2008 erworben hat, nachträglich registriert werden oder nicht? Der Nationalrat verneinte dies mit 106 zu 84 Stimmen, die Entscheidung des Ständerats steht noch aus. Aus kriminalpräventiver Sicht ist der Entscheid des Nationalrats bedauerlich.
46% der Mordfälle finden in der Schweiz im Kreise der Familie der Stadt (Eidgenössisches Büro für die Gleichstellungen von Mann und Frau EBG). In 43% dieser Familienmorde wird eine Schusswaffe verwendet. Wenn die Tatperson Schweizerin oder Schweizer ist, sind es sogar 67%. Mit anderen Worten: In zwei von drei Fällen, wo Schweizerinnen oder Schweizer innerhalb ihrer Familie morden, verwenden sie Schusswaffen. Der Mörder oder die Mörderin verwenden in 84% der Fälle legale Schusswaffen. Das heisst, in vier von 25 Fällen werden Familienmitglieder mit illegalen Schusswaffen getötet. Kann eine Registrierungspflicht diese 16% der Familienmorde verhindern
Möglicherweise.
Angehörige der Polizei, die im Bereich Bedrohungsmanagement tätig sind, wissen, dass es für die Einschätzung einer Bedrohungssituation von grosser Bedeutung ist, ob ein Mensch Zugang zu Waffen hat bzw. Waffen besitzt. Tötungen innerhalb der Beziehung bzw. der Familie haben in der Regel eine Vorgeschichte aus Drohungen, Andeutungen und/oder Gewaltausbrüchen. Wenn Spezialistinnen und Spezialisten abschätzen müssen, ob eine Person ihre Drohung in die Tat umsetzen will oder ob sie ihr «lediglich» dazu dient, Familienangehörige in Angst und Schrecken zu versetzen, spielt es eine wesentliche Rolle, was über den Waffenzugang der/des Drohenden bekannt ist. Das Töten von mehreren Personen sowie die Selbsttötung sind mit einer Schusswaffe nämlich viel leichter zu bewerkstelligen als zum Beispiel mit einer Stichwaffe. Wer Zugang zu einer Schusswaffe hat, tötet darum grundsätzlich eher als jemand, dem dieser Zugang fehlt.
Man könnte an dieser Stelle einwenden, dass die nachträgliche Registrierungspflicht in diesen vier Familienmorden pro Jahr nicht mit Sicherheit greifen würde, weil «Kriminelle» ihre Waffen eh nicht melden. Dazu lassen sich zwei Dinge sagen: Erstens befinden sich Menschen, die ihre Familienmitglieder töten, zwar immer in einer existenziellen Krise, sie sind aber im Vorfeld ihrer Tat nicht notwendigerweise «kriminell». Krisen können sehr kurzfristig und unerwartet auftreten, zum Beispiel dann, wenn ein Mensch seine Arbeit verliert, die Beziehung auseinanderbricht und/oder eine psychische Erkrankung auftritt. Solche Krisen ziehen sich in der Regel nicht über Jahre hinweg. Es gibt deshalb keinen Grund anzunehmen, dass Menschen vor ihren Krisen ihre Waffen weniger nachregistrieren lassen als andere, schliesslich können sie ihre eigenen Krise nicht voraussehen. Zweitens lässt sich sagen, dass wenn auch nur in einem dieser vier Fälle, die vorgängige Gefährlichkeitseinschätzung eines Menschen durch die Information, dass er oder sie eine Waffe besitzt, erleichtert wird, das Verhindern eines Familienmordes möglich wird.
Die Frage, ob dieses mögliche Verhindern von Familienmorden dank der Nachregistrierung den finanziellen und administrativen Aufwand wert ist, muss jede und jeder für sich selbst beantworten. Menschenleben oder auch nur die körperliche und seelische Unversehrtheit gegen Steuergelder aufzuwiegen, ist eine schwierige Angelegenheit. Das vorgebrachte Dammbruchargument der schleichenden Entwaffnung eines Ostschweizer Nationalrats hingegen lässt die SKP nicht gelten. Eine registrierte Waffe ist noch keine eingezogene Waffe und schon gar keine entwaffnete Zivilbevölkerung, sondern einfach eine saubere Sache. Auch wenn Menschen mit krimineller Energie ihre Waffen möglicherweise nicht nachregistrieren lassen, ist es doch schon ein Erfolg, wenn alle anderen dies tun. Wenn Angehörige der Polizei nämlich auf Personen aufmerksam gemacht werden, die Drohungen gegen Familienmitglieder ausgesprochen haben und vor kurzem in eine Krise geraten sind und der Blick ins Waffenregister zeigt, dass sie Waffen besitzen, wird die Einschätzung von Fachpersonen (z.B. des IPBm), ob die Person durch die Kombination aus Drohung, Krise und Waffenbesitz eine Gefahr für sich selbst oder andere darstellt, wesentlich verlässlicher.
Eine Nachregistrierung kann mit Sicherheit nicht alle Tötungsdelikte innerhalb der Familie oder Selbsttötungen verhindern. Eine kleine Hürde durch die nachträgliche Registrierung ist aber besser als keine Hürde. Die Schweizerische Kriminalprävention engagiert sich deshalb nicht nur für einen professionellen, interdisziplinären und überinstitutionellen Umgang mit Bedrohungen, indem sie zum Beispiel kantonale Bedrohungsmanager/innen miteinander vernetzt, sondern arbeitet aktuell auch in einer Arbeitsgruppe des Bundesamtes für Gesundheit BAG mit, bei welcher es im Rahmen der Suizidprävention darum geht, (den Zugang zu) Tatmittel zu reduzieren.